Texte

Inhalt

Susann Popp

Sven Jurkutat

Silvia Fulde

Gunnar Hansen

Daniela Harnack

Michael Friedrich

Heinz Franke

Corinna Lange

Cornelia Eichner

Katrin Thiem

Monika Stamm

Marni-Maren Nienstedt

Heiko

Mike

biografische Informationen

zum Vorwort





Susann Popp


Cry Baby


"Cry baby" sagte Hermann, nahm noch einen Zug von der Zigarette und schoß Angelika tot.
Blut spritzte aus ihrem Kopf und färbte seinen blauen Socken lila.
"Was für ein Tag", sagte er sich und legte sich ins Bett.
Im Fernsehen lief die Muppet-Show, Teergeruch drang durchs Fenster herein und Hermann rief nach der Schwester. Nach der mit dem Muttermal auf der Stirn. "Mädchen", hatte er zu ihr gesagt, "mit dem Fleck kommst du nicht weit, das versprech ich dir."
Sie wird nicht mehr lange leiden müssen, dachte er glücklich, und als sie die Tür öffnete, packte er sie und schnitt ihr die Kehle durch. Roswitha Breugel stand auf ihrem Schild. Hermann atmete tief durch, bevor er sich eine neue Zigarette anzündete und in beider Mädchen Bauchnabel aschte.
Wunderbar, jetzt war seine Aschenbecher-Sammlung komplett.





Suizider Voyeurismus


Wenn du an den Klippen stehst, kannst du entweder springen oder zurücklaufen. Du wölltest springen, nur des Gefühls halber. Die Frage ist nur, ob das Wasser unter dir tief genug ist, um dich aufzufangen.
Da stehst du nun auf der Klippe und versuchst an der Farbe des Wassers zu erkennen, wie tief es ist. Es wird wohl so sein, wie wenn du einen Kopfsprung ins Nichtschwimmerbecken machst.
Tja, dann fliegen da noch ein paar Möwen um dich herum und jetzt stehst du schon mit Kapuze da, denkst darüber nach, was sich auf Klippe reimt...
Kippe. Also rauchst du, setzt dich an den Abgrund und dir geht so einiges durch den Kopf, z.B. warum ein Selbstmord so lange dauert.
Die Sonne geht jetzt langsam unter. Ja, romantisch. Und nun ist es dunkel und allmählich wird es Scheiße. Wenn du schon stirbst, dann möchtest du das auch sehen. Suiziden Voyeurismus nennst du das.
Morgen ist auch noch ein Tag. Vielleicht kein so guter zum Sterben wie heute, eventuell wird es regnen, wer weiß das schon. Du genießt die letzten Sonnenstrahlen, ziehst deine Schuhe aus, wirfst sie die Klippen hinab, damit wenigstens etwas heute da runter gesegelt ist. Ich wäre schöner geflogen, denkst du, stehst auf und gehst nach Hause.
Barfuß. Um wenigstens etwas zu fühlen.




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Sven Jurkutat


am krankenhaus, september 1993

(für mirko, † 29.09.93)


der bunte herbsttag

liegt mir in seiner

unendlichen farbenpracht

zu füßen, und das leise

rauschen der bäume

stört nicht die

atemraubende stille

des augenblicks, den ich


so gern für ein wenig

länger festhalten möchte.

das geräusch der

1000den blätter erinnert mich

an den gesang des meeres,

und ich habe sehnsucht nach

seiner uferlosen weite, der

nur die des himmels nahekommt.

träge schweben über mir

ein paar weiße wolken auf

klarblauen himmelswogen:

entgegen dem scharfen keil

ziehender vögel, die

gen süden streben, wie flüchtende,

als ahnten sie gefahr.

(oder fürchten sie wirklich nur die kälte?)

die sonne blinzelt mir zu, und ich könnte jetzt träumen

- von leichtem! -

würde man nicht dauernd

schmerzhaft spüren, wie wir

drinnen & draußen

vergebens mit dem leben ringen.




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Silvia Fulde


Denken


Wir denken solange

"das kann mir nicht passieren"

bis es uns passiert


dann erst sehen wir

die andere Seite

der Medaille.






Gefühl


ich irrte umher

ohne zu wissen

daß mein Herz

der Wegweiser ist

den ich suchte




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Gunnar Hansen


Kurze Beschreibung des "multimedialen Drama"


Mit dem Drama "Tages Leben" setze ich eine neue Dramentheorie um. In einer Zeit, in der über alles berichtet wird, in der eine Informationsflut auf den Menschen hereinbricht, in der die Meldungen von gestern schon wieder vergessen sind, muß etwas, das im Gedächtnis bleiben soll, eine andere, auffallende Form haben. Doch allein damit ist es nicht getan. Jede Information, die der Mensch aufnimmt, muß zwangsläufig den Weg über die Sinne gehen. Damit ist dem Schönsten was wir kennen, dem Fühlen, die Vermittlung über den Weg der Literatur sehr schwer gemacht. Denn zwischen Augen und Ohren ist das Hirn, näher als das Gefühl. Dazu kommt, daß dem Menschen beigebracht wurde, jede neue Information sofort im Kopf zu analysieren, bevor sie, wenn sie es denn wert zu sein scheint, gespeichert, "gemerkt" wird. So dauert es lange, bis ein Wort ein Gefühl hervorrufen kann!
Das multimediale Drama setzt, sowohl geschrieben als auch auf der Bühne, an beiden Punkten an. In der äußeren Form erscheint es zweispaltig, auf der Bühne finden zwei bis drei Handlungen gleichzeitig statt. Eine Handlung ist dabei stets die tragende, die den roten Faden des Dramas hält, die anderen wirken ergänzend. Es wird dem Leser, vor allem aber dem Zuschauer, die Möglichkeit gegeben, von der klassischen Dramenaufführung abzuschweifen in andere Bereiche der Bühne. So wie es möglich ist, das Fernsehprogramm zu wechseln oder auf dem Computer ein anderes Programm zu öffnen, so kann der Konsument auch hier sich mit etwas anderem beschäftigen, verliert hierbei jedoch nicht den Bezug zur Handlung, da alle Handlungen ineinander verwoben sind, jede für sich nur ein Teil, der durch die anderen ergänzt wird. Da nur in einer Handlung gesprochen wird, in dieser jedoch wenig Bewegung ist, ist es nicht weiter tragisch, den Blick auf die anderen Handlungen zu lenken, in denen zwar Bewegung ist, das sprachliche Element aber fehlt. Im Gegenteil: Es ist dem Drama förderlich, denn der Konsument betrachtet das Geschehen von mehreren Seiten, das vermeintliche Abschweifen der Aufmerksamkeit auf einen Nebenschauplatz soll ihn noch tiefer in die Handlung hineinführen. Durch die zweite und dritte Handlung sollen bei dem Konsumenten Gefühle erzeugt werden, die er auf die erste Handlung projizieren soll, und er soll somit - unbewußt - sein erlerntes Analyseverhalten umgehen.
Durch diese zwei bis drei Handlungen wird zu dem auch noch ein Anderes erreicht: Die Meinungsbildung im Kopf des Konsumenten verzögert sich durch Irritation. Er braucht mehr Informationen, um sich ein Urteil bilden zu können und die Informationen, die er erhält, sind nicht eindeutig. Sein Bedürfnis nach Information macht ihn zugänglich für den Teil vom Inhalt, der nur bedingt offen zu lesen ist / sich auf der Bühne abspielt. Dies ist der Bereich, der über das Gefühl und die vorurteilsfreie Vorstellungskraft zu dem Konsumenten dringen soll. Natürlich ist es auch abhängig von der Bereitschaft des Empfängers, dies auf sich wirken zu lassen und nicht sofort etwas Neues abzublocken, aber schon wenn bei jemanden das Gefühl hervorgerufen wird: "Hier stimmt etwas nicht! Irgend etwas erzeugt in mir ein ungutes Gefühl!", ist bei diesem Skeptiker etwas gewonnen. Durch diese Einflußnahme auf den Konsumenten über seine Gefühle und Vorstellungen und durch den Bereich des Bewußten hindurch zu dem Gefühlten findet sich eine weitere Parallele zur multimedialen Welt: Es findet eine immer realistischer werdende Abbildung des Lebens statt. Auch im Leben kommen die Eindrücke auf den Menschen nicht eindimensional nur von einer Seite, sondern die Informationen kommen von allen Seiten, durch alle Sinnesorgane zum Empfänger. So liest/sieht der Konsument auch in dieser Form des Dramas nicht nur einen kleinen Ausschnitt der Handlung, es wird ihm eine größere Auswahl an Ausschnitten und Geschehnissen angeboten, die sich wie im Leben gleichzeitig abspielen, jede für sich besteht, aber doch alle miteinander zu tun haben.
Der Einfluß, den das "Schicksal" zu nehmen scheint, wird minimiert durch die Erkenntnis, daß die Kombination der Geschehnisse einen anderen Handlungsablauf gar nicht zuläßt. Eine Handlung beeinflußt die andere, das Verhalten der Menschen in den Handlungen ist dadurch nicht zwingend eine Folge der vorherigen Handlung, der Entscheidungsspielraum der Personen besteht, aber wie im Leben ist er in Konventionen gebunden und damit auf das Maß der sich aus seiner Persönlichkeit ergebenden Möglichkeiten beschränkt. Dem Konsumenten ist damit die Unausweichlichkeit des Handlungsablaufs gegenwärtig, aber nicht unbedingt bewußt. Gerade aber diese Zwangsläufigkeit soll über das Gefühl der Beklemmung hinaus auch Entrüstung hervorrufen und wenn heute durch Literatur überhaupt noch etwas zu erreichen ist, so soll es das Bedürfnis erwecken, das eigene Leben bewußt und eigenverantwortlich zu leben und zu gestalten - und eben nicht nur passiv zu konsumieren und mit sich geschehen zu lassen.

Marburg, 26.11.1998




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Daniela Harnack


Leere


Leise wie der Tod schleich ich von dannen.

Niemand bemerkt's.

Niemand vermißt mich.

Der Lärm ist zu laut,

um die Stille zu vermissen

und Kälte ist zu kalt,

um die Wärme zu vermissen.

Leere hat die Sehnsucht nach Fülle vergessen,

weil das Gefühl längst vergangen.

Und selbst, wenn da noch ein Du ist, das sich meiner annimmt,

so ist es die Ewigkeit,

die ihn mir nimmt und mich allein läßt.

Es ist die Starre, die das Gefühl übertönt.

Die Härte, die die Sanftheit erpreßt und nie wieder gehen läßt.

Wie kann Leere so grausam sein?




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Michael Friedrich


La mer et la femme


Ich steh' am Strand und schau' aufs Meer

und lausch' der Wellen Wiederkehr,

die See, sie wird zur Leinenwand,

auf die das Herz ein Bildnis bannt,

der Pinselstrich ist klar und fein,

erschafft ein Antlitz zart und rein,

so daß mein Herz vor Sehnsucht bebt,

denn ich weiß, daß dieses Mädchen lebt,

doch will der Traum nicht lang verweilen,

das Bild beginnt sich zu verteilen,

und bald ist's wieder nur die See

und was im Herzen bleibt, tut weh




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Heinz Franke


Du bist nicht allein


Denn wo ein Mensch ist,

werden Gedanken zu Wörtern,

werden Wörter zu Taten

die zueinander stehn.




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Corinna Lange


Firmament


Als wir uns trafen,

glich dein Leben

einem heiteren Frühlingsmorgen

und mich

nanntest du die Sonne,

die mit purpurnen Strahlen

den Horizont wachküßt.

Doch als dein Leben

plötzlich

einer kalten Nacht ähnelte,

umwoben

von Dunkelheit und Leere,

durfte ich darin

nicht

der Mond sein.





Rendezvous


Still

ist es geworden

im Zimmer

und nur

das Ticken der Uhr

ist noch übrig -

geblieben vom Tag.

Die Dunkelheit huscht

hinter der Gardine

hervor und greift

mit langen Schattenfingern

behutsam

nach mir.

Die Nacht beginnt

zu atmen,

haucht meinen Gedanken

Leben ein

und bittet sie

um den nächsten

Tanz.




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Cornelia Eichner


August


Der August glühte.

Farbstreifen sausten an Zügen vorbei.

Männer und Frauen umarmten sich im Osten, wirbelten durch den Süden, bebten im Norden, schwirrten im Westen.

Die Sonne bleichte die Haare und gab die Farbe den Gesichtern.

Der laue Wind streichelte den Tau von den Leibern.

Die Sonne raubte den Sternen ihre Zeit.

Der Mond atmete ein.

Ich umschloß Hände und sang Lieder mit fremden Stimmen.

Der August verglühte.

Seine Asche nährt das nächste Jahr.





Es war der Tag vor Herbst.


Wasser legte sich als Glocke auf die Stadt.

Die Lieder verstummten.

Wind verfing sich zwischen Häusern.

Die Erde war eine Scheibe, zirka einen Kilometer weit.

Ich legte mich auf die Wiese und zog die Decke über mich.

Zeit fraß Farben.

Deine Schritte verklangen im Vorgestern.

So träumte ich mir einen Kamin.

Nun konnte der Winter kommen.




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Katrin Thiem


frieden


ein glashaus

drinnen sitzen

glückliche menschen

und werfen mit steinen



krieg


scherben

darauf blut -

und menschen

die weinen

und streiten

wer den stein warf




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Monika Stamm


Zwischen Rosen riechen


und die Maiglöckchen zählen

den Wald begrünen

und die Sonne vom

Himmel stehlen

um sie Dir zu schenken

wenn die Nacht

gar zu finster ist.




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Marni-Maren Nienstedt


Reality


Sterben

kannst du

inmitten von Menschen

dein Schrei

übertönt von Straßenlärm

oder bestaunt

wie in einer Realityshow

umringt von Menschen:

Tausend Hände

in den Taschen




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Heiko


Wohin leuchtet der Mond am Tag


Hinter welchem alten Dach flirren die Sterne

Wann siehst auch du die Sonne, die so gelb

Ist wie unser Posthaus, wann endlich tauchst du auf?

Wenn ich nachts von dir träume, lauf

Ich den ganzen Tag der Nacht hinterher.

So, wie ich heute den Tag versäume,

Erinnere ich mich bald an das Gestern nicht mehr.

Ein Stinker bin ich, im Strudel schwimm' ich.

Wenn ich faul bin, dann penn' ich und die ganze Nacht

Fahr' ich dir hinterher, weil ich fühl,

Du bist einsam.

Unsere Gedanken vereinen sich hier, immer, wo du wartest

Wird es passieren, wir durchstreifen

Den gleichen Traum, er heißt Leben.




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Mike


Wenn der Mond scheint ...


Wenn der Mond scheint schwebst du

in meinen Gedanken wie eine Blüte auf dem See,

und deine Blüte hat in meinem Universum

jeder Zeit einen Weg.


Wenn der Mond scheint im Frühling bist du

mein blühendes Leben.

Im Sommer bist du meine Freiheit,

Im Herbst bist du mein farbiges Kleid,

das mich wärmt.

Im Winter bist du mein helles Schneekristall,

das leise in meinen Traum rieselt.


Wenn der Mond scheint,

Schwebt meine Liebe durch Raum und Zeit,

Sterne mit dir suchen nach der Unendlichkeit,

Deine Schönheit sich vorzustellen ist das höchste Gefühl.




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Wir danken für die freundliche Unterstützung durch das Kulturamt der Stadt Zwickau.

(letzte Änderung: 31.12.99)