Cry Baby
Suizider Voyeurismus
am krankenhaus, september 1993
(für mirko, 29.09.93)
der bunte herbsttag
liegt mir in seiner
unendlichen farbenpracht
zu füßen, und das leise
rauschen der bäume
stört nicht die
atemraubende stille
des augenblicks, den ich
so gern für ein wenig
länger festhalten möchte.
das geräusch der
1000den blätter erinnert mich
an den gesang des meeres,
und ich habe sehnsucht nach
seiner uferlosen weite, der
nur die des himmels nahekommt.
träge schweben über mir
ein paar weiße wolken auf
klarblauen himmelswogen:
entgegen dem scharfen keil
ziehender vögel, die
gen süden streben, wie flüchtende,
als ahnten sie gefahr.
(oder fürchten sie wirklich nur die kälte?)
die sonne blinzelt mir zu, und ich könnte jetzt träumen
- von leichtem! -
würde man nicht dauernd
schmerzhaft spüren, wie wir
drinnen & draußen
vergebens mit dem leben ringen.
Denken
Wir denken solange
"das kann mir nicht passieren"
bis es uns passiert
dann erst sehen wir
die andere Seite
der Medaille.
Gefühl
ich irrte umher
ohne zu wissen
daß mein Herz
der Wegweiser ist
den ich suchte
Kurze Beschreibung des "multimedialen Drama"
Mit dem Drama "Tages Leben" setze ich eine neue Dramentheorie um. In einer Zeit, in der über alles berichtet wird, in der eine Informationsflut auf den Menschen hereinbricht, in der die Meldungen von gestern schon wieder vergessen sind, muß etwas, das im Gedächtnis bleiben soll, eine andere, auffallende Form haben. Doch allein damit ist es nicht getan. Jede Information, die der Mensch aufnimmt, muß zwangsläufig den Weg über die Sinne gehen. Damit ist dem Schönsten was wir kennen, dem Fühlen, die Vermittlung über den Weg der Literatur sehr schwer gemacht. Denn zwischen Augen und Ohren ist das Hirn, näher als das Gefühl. Dazu kommt, daß dem Menschen beigebracht wurde, jede neue Information sofort im Kopf zu analysieren, bevor sie, wenn sie es denn wert zu sein scheint, gespeichert, "gemerkt" wird. So dauert es lange, bis ein Wort ein Gefühl hervorrufen kann!
Das multimediale Drama setzt, sowohl geschrieben als auch auf der Bühne, an beiden Punkten an. In der äußeren Form erscheint es zweispaltig, auf der Bühne finden zwei bis drei Handlungen gleichzeitig statt. Eine Handlung ist dabei stets die tragende, die den roten Faden des Dramas hält, die anderen wirken ergänzend. Es wird dem Leser, vor allem aber dem Zuschauer, die Möglichkeit gegeben, von der klassischen Dramenaufführung abzuschweifen in andere Bereiche der Bühne. So wie es möglich ist, das Fernsehprogramm zu wechseln oder auf dem Computer ein anderes Programm zu öffnen, so kann der Konsument auch hier sich mit etwas anderem beschäftigen, verliert hierbei jedoch nicht den Bezug zur Handlung, da alle Handlungen ineinander verwoben sind, jede für sich nur ein Teil, der durch die anderen ergänzt wird. Da nur in einer Handlung gesprochen wird, in dieser jedoch wenig Bewegung ist, ist es nicht weiter tragisch, den Blick auf die anderen Handlungen zu lenken, in denen zwar Bewegung ist, das sprachliche Element aber fehlt. Im Gegenteil: Es ist dem Drama förderlich, denn der Konsument betrachtet das Geschehen von mehreren Seiten, das vermeintliche Abschweifen der Aufmerksamkeit auf einen Nebenschauplatz soll ihn noch tiefer in die Handlung hineinführen. Durch die zweite und dritte Handlung sollen bei dem Konsumenten Gefühle erzeugt werden, die er auf die erste Handlung projizieren soll, und er soll somit - unbewußt - sein erlerntes Analyseverhalten umgehen.
Durch diese zwei bis drei Handlungen wird zu dem auch noch ein Anderes erreicht: Die Meinungsbildung im Kopf des Konsumenten verzögert sich durch Irritation. Er braucht mehr Informationen, um sich ein Urteil bilden zu können und die Informationen, die er erhält, sind nicht eindeutig. Sein Bedürfnis nach Information macht ihn zugänglich für den Teil vom Inhalt, der nur bedingt offen zu lesen ist / sich auf der Bühne abspielt. Dies ist der Bereich, der über das Gefühl und die vorurteilsfreie Vorstellungskraft zu dem Konsumenten dringen soll. Natürlich ist es auch abhängig von der Bereitschaft des Empfängers, dies auf sich wirken zu lassen und nicht sofort etwas Neues abzublocken, aber schon wenn bei jemanden das Gefühl hervorgerufen wird: "Hier stimmt etwas nicht! Irgend etwas erzeugt in mir ein ungutes Gefühl!", ist bei diesem Skeptiker etwas gewonnen. Durch diese Einflußnahme auf den Konsumenten über seine Gefühle und Vorstellungen und durch den Bereich des Bewußten hindurch zu dem Gefühlten findet sich eine weitere Parallele zur multimedialen Welt: Es findet eine immer realistischer werdende Abbildung des Lebens statt. Auch im Leben kommen die Eindrücke auf den Menschen nicht eindimensional nur von einer Seite, sondern die Informationen kommen von allen Seiten, durch alle Sinnesorgane zum Empfänger. So liest/sieht der Konsument auch in dieser Form des Dramas nicht nur einen kleinen Ausschnitt der Handlung, es wird ihm eine größere Auswahl an Ausschnitten und Geschehnissen angeboten, die sich wie im Leben gleichzeitig abspielen, jede für sich besteht, aber doch alle miteinander zu tun haben.
Der Einfluß, den das "Schicksal" zu nehmen scheint, wird minimiert durch die Erkenntnis, daß die Kombination der Geschehnisse einen anderen Handlungsablauf gar nicht zuläßt. Eine Handlung beeinflußt die andere, das Verhalten der Menschen in den Handlungen ist dadurch nicht zwingend eine Folge der vorherigen Handlung, der Entscheidungsspielraum der Personen besteht, aber wie im Leben ist er in Konventionen gebunden und damit auf das Maß der sich aus seiner Persönlichkeit ergebenden Möglichkeiten beschränkt. Dem Konsumenten ist damit die Unausweichlichkeit des Handlungsablaufs gegenwärtig, aber nicht unbedingt bewußt. Gerade aber diese Zwangsläufigkeit soll über das Gefühl der Beklemmung hinaus auch Entrüstung hervorrufen und wenn heute durch Literatur überhaupt noch etwas zu erreichen ist, so soll es das Bedürfnis erwecken, das eigene Leben bewußt und eigenverantwortlich zu leben und zu gestalten - und eben nicht nur passiv zu konsumieren und mit sich geschehen zu lassen.
Marburg, 26.11.1998
Leere
Leise wie der Tod schleich ich von dannen.
Niemand bemerkt's.
Niemand vermißt mich.
Der Lärm ist zu laut,
um die Stille zu vermissen
und Kälte ist zu kalt,
um die Wärme zu vermissen.
Leere hat die Sehnsucht nach Fülle vergessen,
weil das Gefühl längst vergangen.
Und selbst, wenn da noch ein Du ist, das sich meiner annimmt,
so ist es die Ewigkeit,
die ihn mir nimmt und mich allein läßt.
Es ist die Starre, die das Gefühl übertönt.
Die Härte, die die Sanftheit erpreßt und nie wieder gehen läßt.
Wie kann Leere so grausam sein?
La mer et la femme
Ich steh' am Strand und schau' aufs Meer
und lausch' der Wellen Wiederkehr,
die See, sie wird zur Leinenwand,
auf die das Herz ein Bildnis bannt,
der Pinselstrich ist klar und fein,
erschafft ein Antlitz zart und rein,
so daß mein Herz vor Sehnsucht bebt,
denn ich weiß, daß dieses Mädchen lebt,
doch will der Traum nicht lang verweilen,
das Bild beginnt sich zu verteilen,
und bald ist's wieder nur die See
und was im Herzen bleibt, tut weh
Du bist nicht allein
Denn wo ein Mensch ist,
werden Gedanken zu Wörtern,
werden Wörter zu Taten
die zueinander stehn.
Firmament
Als wir uns trafen,
glich dein Leben
einem heiteren Frühlingsmorgen
und mich
nanntest du die Sonne,
die mit purpurnen Strahlen
den Horizont wachküßt.
Doch als dein Leben
plötzlich
einer kalten Nacht ähnelte,
umwoben
von Dunkelheit und Leere,
durfte ich darin
nicht
der Mond sein.
Rendezvous
Still
ist es geworden
im Zimmer
und nur
das Ticken der Uhr
ist noch übrig -
geblieben vom Tag.
Die Dunkelheit huscht
hinter der Gardine
hervor und greift
mit langen Schattenfingern
behutsam
nach mir.
Die Nacht beginnt
zu atmen,
haucht meinen Gedanken
Leben ein
und bittet sie
um den nächsten
Tanz.
August
Der August glühte.
Farbstreifen sausten an Zügen vorbei.
Männer und Frauen umarmten sich im Osten, wirbelten durch den Süden, bebten im Norden, schwirrten im Westen.
Die Sonne bleichte die Haare und gab die Farbe den Gesichtern.
Der laue Wind streichelte den Tau von den Leibern.
Die Sonne raubte den Sternen ihre Zeit.
Der Mond atmete ein.
Ich umschloß Hände und sang Lieder mit fremden Stimmen.
Der August verglühte.
Seine Asche nährt das nächste Jahr.
Es war der Tag vor Herbst.
frieden
ein glashaus
drinnen sitzen
glückliche menschen
und werfen mit steinen
krieg
scherben
darauf blut -
und menschen
die weinen
und streiten
wer den stein warf
Zwischen Rosen riechen
und die Maiglöckchen zählen
den Wald begrünen
und die Sonne vom
Himmel stehlen
um sie Dir zu schenken
wenn die Nacht
gar zu finster ist.
Reality
Sterben
kannst du
inmitten von Menschen
dein Schrei
übertönt von Straßenlärm
oder bestaunt
wie in einer Realityshow
umringt von Menschen:
Tausend Hände
in den Taschen
Wohin leuchtet der Mond am Tag
Hinter welchem alten Dach flirren die Sterne
Wann siehst auch du die Sonne, die so gelb
Ist wie unser Posthaus, wann endlich tauchst du auf?
Wenn ich nachts von dir träume, lauf
Ich den ganzen Tag der Nacht hinterher.
So, wie ich heute den Tag versäume,
Erinnere ich mich bald an das Gestern nicht mehr.
Ein Stinker bin ich, im Strudel schwimm' ich.
Wenn ich faul bin, dann penn' ich und die ganze Nacht
Fahr' ich dir hinterher, weil ich fühl,
Du bist einsam.
Unsere Gedanken vereinen sich hier, immer, wo du wartest
Wird es passieren, wir durchstreifen
Den gleichen Traum, er heißt Leben.
Wenn der Mond scheint ...
Wenn der Mond scheint schwebst du
in meinen Gedanken wie eine Blüte auf dem See,
und deine Blüte hat in meinem Universum
jeder Zeit einen Weg.
Wenn der Mond scheint im Frühling bist du
mein blühendes Leben.
Im Sommer bist du meine Freiheit,
Im Herbst bist du mein farbiges Kleid,
das mich wärmt.
Im Winter bist du mein helles Schneekristall,
das leise in meinen Traum rieselt.
Wenn der Mond scheint,
Schwebt meine Liebe durch Raum und Zeit,
Sterne mit dir suchen nach der Unendlichkeit,
Deine Schönheit sich vorzustellen ist das höchste Gefühl.
(letzte Änderung: 31.12.99)